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Ausschluss des Widerrufsrecht – Online-Shop – Zumutbarkeit des Rückbaus eines Notebooks – Urteil des Kammergerichts Berlin vom 27.06.2014 – Az.: 5 U 162/12

Ausschluss des Widerrufsrecht – Online-Shop – Zumutbarkeit des Rückbaus eines Notebooks – Urteil des Kammergerichts Berlin vom 27.06.2014 – Az.: 5 U 162/12 Ausschluss des Widerrufsrecht – Online-Shop – Zumutbarkeit des Rückbaus eines Notebooks – Urteil des Kammergerichts Berlin vom 27.06.2014 – Az.: 5 U 162/12
Autor: Rechtsanwalt Marcus Dury LL.M. (IT-Recht)

Veröffentlicht: 18.11.2014

autoreparatur joern buchheim fotolia comDas Kammergericht Berlin hat am 27.6.2014 entschieden, dass grundsätzlich keine wettbewerbsrechtliche Verpflichtung eines Unternehmens besteht, Verbraucher im Einzelnen über die tatsächlichen Umstände der Unzumutbarkeit des Rückbaus eines individuell konfigurierten Notebooks und den damit verbundenen Ausschluss des Widerrufsrechts aufzuklären (Az.: 5 U 162/12).

Darüber hinaus war das Kammergericht Berlin der Ansicht, dass eine wettbewerbsrechtliche Irreführung durch Leugnung eines Widerrufsrechts gegenüber einem Verbraucher bei individuell konfigurierten Notebooks in Betracht kommen kann, wenn die vom Unternehmer vertretene Rechtsauffassung planmäßig und wider besseres Wissen (weil unhaltbar) erklärt wird.

Bildquelle: autoreparatur joern buchheim fotolia.com

Sachverhalt

Der Kl. (ein Verbraucherverband) hat ggü. der Bekl. (die über das Internet u.a. nach Kundenwunsch individuell konfigurierte Notebooks vertreibt) die Unterlassung des Abschlusses von Verbrauchsgüterkaufverträgen im Fernabsatz ohne eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht beantragt und er begehrt darüber hinaus eine Verurteilung der Bekl. dahin, es zu unterlassen, bei Verbrauchsgüterkaufverträgen im Fernabsatz über nach Kundenwunsch konfigurierte Notebooks bei einem erklärten Widerruf des Verbrauchers pauschal zu behaupten, ein Widerrufsrecht bestehe nicht. Die Bekl. schloss am 14.11.2011 mit dem Kunden K im Fernabsatz einen Kaufvertrag über ein Notebook, das nach dessen Wünschen umzubauen war. Der Kunde widerrief den Vertrag. Im Anschluss daran entspann sich im November/Dezember 2011 ein Schriftverkehr, in dem die Bekl. u.a. im Hinblick auf die von ihr vorgenommenen Veränderungen am Notebook ein Recht zum Widerruf des Kunden K verneinte. Der Kl. hat insoweit beanstandet, die Bekl. habe nicht im Einzelnen dargelegt, was beim Notebook dieses Kunden tatsächlich mit welchem Aufwand und mit welchen Folgen für den Rückbau zu ändern gewesen sei. Die Bekl. hat u.a. die Auffassung vertreten, im Hinblick auf den von ihr geleisteten erheblichen Aufwand zur individuellen Konfiguration des Notebooks des Kunden K habe diesem gem. § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB a.F. (§ 312G Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 BGB n.F.) kein Widerrufsrecht zugestanden.

Aus den Gründen

I. Dem Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch dahin zu, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei Verbrauchsgüterkaufverträgen über nach Kundenwunsch konfigurierte Notebooks im Fernabsatz bei einem erklärten Widerruf des Verbrauchers pauschal zu behaupten, ein Widerrufsrecht bestehe nicht.

Unterlassungsantrag war nach Ansicht des Gerichts zu unbestimmt

1. Dieser Unterlassungsantrag und Unterlassungsausspruch ist hinsichtlich der Wendung „pauschal zu behaupten” schon zu unbestimmt und damit unzulässig, § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO. … b) Vorliegend streiten die Parteien auch darum, wie allgemein die Bekl. ein Widerrufsrecht des Kunden diesem gegenüber in Seitenumbruch dem zu Grunde liegenden Verletzungsfall verneint hat. Ein pauschales Behaupten liegt bei einer Äußerung vor, das die näheren Umstände des Einzelfalls unberücksichtigt lässt. Dies kann bereits dann der Fall sein, wenn ein Widerrufsrecht ohne jede Begründung verneint wird. Als pauschal kann das Bestreiten eines Widerrufsrechts auch dann verstanden werden, wenn nur auf den erfolgten individuellen Umbau des Notebooks verwiesen wird. Ein pauschales Bestreiten eines Widerrufsrechts kann schließlich selbst dann noch angenommen werden, wenn die Bekl. nicht im Einzelnen die erfolgten technischen Schritte des Umbaus und eines erforderlichen Rückbaus einschließlich der jeweils erforderlichen Arbeitszeiten und der insoweit anfallenden Lohnkosten darlegt. Im letzteren Sinne will es der Kl. verstanden wissen, wenn er unter Hinweis auf die BGH-Entscheidung zum Widerrufsrecht bei nach Kundenspezifikation angefertigter Ware (NJW 2003, NJW Jahr 2003 Seite 1665 [= MMR 2003, MMR Jahr 2003 Seite 463] Rdnr. MMR Seite 463 Randnummer 21) darauf verweist, die Bekl. sei als Unternehmerin darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen eines Ausschlusses des Widerrufsrechts.

Ein Verständnis in diesem Sinne droht aber uferlos (gleichsam bis hin zu einer gutachterlichen Stellungnahme und noch darüber hinaus) zu werden. Auch das landgerichtliche Urteil gibt keine objektiven Kriterien vor, zumal es nur einzelne Aussagen aus den Stellungnahmen der Bekl. erörtert und diese zudem nicht in einen Gesamtzusammenhang rückt.

Unterlassungsantrag war nach Ansicht des Gerichts zu weit gefasst

2. Die abstrakt gefasste Untersagung wäre darüber hinaus – und insoweit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt – zu weit gefasst und damit unbegründet.

a) Das Verbot einer pauschalen Leugnung eines Widerrufsrechts erfasst (und soll es nach dem Willen des Kl. und des LG) auch solche Fälle, in denen ein Rückbau der nach Kundenwunsch konfigurierten Notebooks für die Bekl. unzumutbar ist. Die Bekl. soll ebenso in diesen Fällen dem Verbraucher gegenüber die Unzumutbarkeit des Rückbaus im Einzelnen begründen.

b) Nach der o.g. Entscheidung des BGH ist ein mit Standardteilen nach Kundenwünschen umgebautes Notebook dann nicht nach Kundenspezifikation angefertigt (i.S.v. § 312D Absatz 4 Nr. 1 BGB a.F., Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 FernabsatzRL), wenn sich die Ware ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile mit verhältnismäßig geringem Aufwand wieder in den Zustand vor der Anfertigung versetzen lässt (BGH, a.a.O., Rdnr. 15). In dem ihm zur Entscheidung vorgelegten Fall hat der BGH die Kosten eines Rückbaus i.H.v. drei Arbeitsstunden zu je DM 150,– angesichts eines Gesamtbetrags von weniger als 5% des Warenwerts als zumutbar angesehen (BGH, a.a.O., Rdnr. 19).

Daraus folgt aber zugleich, dass in einem jeden Einzelfall konkret der Umfang der Kosten eines Rückbaus festzustellen ist und diese Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu dem jeweiligen Warenwert liegen müssen. Deshalb kann auch bei einem Umbau eines Notebooks nach Kundenwünschen mit Standardbauteilen – so wie die Bekl. sie anbietet – nicht für jeden Fall von vornherein ausgeschlossen werden, dass wegen unzumutbarer Kosten eines Rückbaus ein Widerrufsrecht ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Einschränkendes etwa im Hinblick auf das Geschäftsangebot der Bekl. trägt der Kl. insoweit nicht vor.

c) Ist im Einzelfall einer nach Kundenwunsch spezifizierten Lieferung ein Widerrufsrecht des Kunden wegen unzumutbarer Kosten eines Rückbaus ausgeschlossen, besteht keine gesetzliche oder sonstige Informationsobliegenheit oder gar Informationsverpflichtung des Unternehmers, seinem Kunden im Einzelnen mitzuteilen, aus welchen Gründen dies der Fall sein soll. Ein solches Verhalten mag zwar wenig kundenfreundlich sein, es ist aber weder gesetzwidrig noch wettbewerbsrechtlich unlauter noch begründet es eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten.

aa) Nach § 312c Abs. 1 BGB a.F. (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Gesetzesfassung) hat der Unternehmer den Verbraucher bei Fernabsatzverträgen nach Maßgabe des Art. 246 § 1 und Artikel 246 § 2 EGBGB zu unterrichten.

Gem. Art. 246 § 1 Abs. EGBGB Artikel 246 § 1 Absatz 1 Nr. 10 EGBGB muss der Unternehmer dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich und unter Angabe des gesetzlichen Zwecks Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und die Rechtsfolgen des Widerrufs zur Verfügung stellen (BGH GRUR 2012, GRUR Jahr 2012 Seite 188 [= MMR-Aktuell 2012 – Computer-Bild). Danach ist der Verbraucher auch über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts entsprechend zu informieren (BGH, a.a.O., Rdnr. 45 – Computer-Bild).

Insoweit genügt aber eine Information, die den Gesetzestext in § 312D Absatz 4 BGB a.F. schlicht wiedergibt (BGH NJW 2010, NJW Jahr 2010 Seite 989 [= MMR 2010, MMR Jahr 2010 Seite 166 m. Anm. Föhlisch] Rdnr. 21 ff.). Der Unternehmer ist ggü. dem Verbraucher noch nicht einmal verpflichtet, für jeden angebotenen Artikel gesondert anzugeben, ob dem Verbraucher insoweit überhaupt ein Widerrufsrecht zusteht. Eine solche Pflicht lässt sich auch aus dem sich aus § 355 Absatz 2 BGB a.F. ergebenden Erfordernis einer möglichst umfassenden, unmissverständlichen und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutigen Belehrung nicht ableiten (BGH, a.a.O., Rdnr. 22 ff.).

Eine Belehrung, die dem Verbraucher die Beurteilung überlässt, ob die von ihm erworbene Ware unter einen Ausschlusstatbestand fällt, ist auch nicht missverständlich (BGH, a.a.O., Rdnr. 24). Wird der Verbraucher über den gesetzlichen Wortlaut der Ausschlusstatbestände zu einem Widerrufsrecht informiert, ermöglicht dies dem Verbraucher hinreichend, sich eine abweichende Meinung zu bilden und auf eine Klärung hinzuwirken (BGH, a.a.O.). bb) Vorliegend streiten die Parteien nicht über die Verpflichtung der Bekl., über das Nichtbestehen eines Rückgaberechts rechtzeitig und ausreichend zu informieren.

Der Kl. begehrt hier allein, der Bekl. (bei einem erklärten Widerruf des Verbrauchers) ein pauschales Leugnen eines Widerrufsrechts zu untersagen (bei Verbrauchsgüterkaufverträgen im Fernabsatz über nach Kundenwunsch konfigurierte Notebooks).

cc) Über das Informationsgebot aus Art. 246 § 1 Abs. EGBGB Artikel 246 § 1 Absatz 1 Nr. 10 EGBGB, § 312d Abs. 4 BGB a.F. hinausgehend muss der Unternehmer bei einem Streit mit Kunden diese vorprozessual nicht rechtlich oder sachverständig aufklären oder beraten. Eine dahingehende gesetzliche Verpflichtung bestand zum Tatzeitpunkt 2011 nicht. Ausnahmen können vertragsrechtlich nur in Betracht kommen, wenn sich der Kunde im jeweiligen Einzelfall in einem entschuldbaren, vom Unternehmer erkannten und von ihm leicht ausräumbaren Tatsachenirrtum befindet. Derartiges macht der Kl. hier nicht geltend. Ist der Kunde über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts durch Angabe der gesetzlichen Voraussetzungen des § 312d Abs. 4 BGB a.F. hinreichend informiert, ist es grds. allein seine Sache, sich vorprozessual bei einem Bestreiten des Widerrufsrechts durch den Unternehmer weitergehend über die Rechtslage in seinem konkreten Einzelfall zu informieren. Er weiß um die einzelnen Teile, die nach seinen Wünschen umgebaut wurden. Er kann ggf. vorprozessual sachverständigen Rat einholen, um die Höhe der Rückbaukosten und die Frage der Zumutbarkeit technisch und juristisch zutreffend einzuschätzen. … Muss der Unternehmer im Vorfeld der Kaufentscheidung des Verbrauchers nur auf die gesetzlichen Ausschlussgründe eines Widerrufsrechts hinweisen, ohne diese Ausschlussgründe noch nicht einmal hinsichtlich des jeweiligen Kaufgegenstands konkretisieren zu müssen, bestehen auch nach Vertragsabschluss und nach einem vom Verbraucher erklärten Widerruf abstrakt-generell vorprozessual keine weitergehenden Informationspflichten des Unternehmers ggü. dem Verbraucher.

dd) Soweit der Kl. sich für derartige weitergehende Informationspflichten des Unternehmers ggü. dem Verbraucher auf die vorgenannte Entscheidung des BGH (NJW 2003 Seite 1665 [= MMR 2003, Seite 463, Randnummer 21) beruft, kann dies nicht überzeugen. Nach den Ausführungen des BGH obliegen dem Unternehmer zwar in einem Rechtsstreit mit dem Kunden die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen eines Ausschlusses des Widerrufsrechts. Auch nach dieser Entscheidung verliert er aber diese Möglichkeiten eines Vortrags und eines Nachweises in einem gerichtlichen Rechtsstreit mit dem Kunden selbst dann nicht, wenn er vorprozessual ohne nähere Erklärung geblieben war. Diese Entscheidung des BGH beschränkt sich allein auf die prozessuale Darlegungslast des Unternehmens. …