Abmahnungen sind ein wichtiges Instrument, um fairen Wettbewerb im Online-Handel sicherzustellen. Sie ermöglichen es Unternehmen, Rechtsverstöße von Mitbewerbern außergerichtlich zu rügen und beseitigen zu lassen. Doch leider gibt es auch die Schattenseite: den Abmahnmissbrauch. Dabei werden Abmahnungen nicht aus ehrlichem Wettbewerbsinteresse versendet, sondern aus sachfremden Motiven – oft, um Gebühren zu generieren oder Mitbewerber zu schikanieren. Seit Inkrafttreten des “Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs” im Dezember 2020 gibt es jedoch verbesserte Möglichkeiten, sich gegen solche unseriösen Praktiken zu wehren. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die Mechanismen des Abmahnmissbrauchs, zeigt, woran man ihn erkennt und welche Reaktionen rechtlich möglich sind.
Abmahnung vs. Abmahnmissbrauch: Eine klare Trennlinie
Grundsätzlich ist eine Abmahnung ein nützliches Werkzeug. Sie dient dazu, Verstöße gegen Gesetze wie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Markenrechte oder Urheberrechte außergerichtlich zu klären. Ziel ist es, den Abgemahnten zur Unterlassung des rechtswidrigen Verhaltens aufzufordern und eventuell entstandene Schäden zu ersetzen.
Von Abmahnmissbrauch spricht man hingegen, wenn die Abmahnung nicht primär der Durchsetzung eines berechtigten Unterlassungsanspruchs dient, sondern aus anderen, sachfremden Gründen erfolgt. Das “Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs” hat in § 8c Abs. 1 UWG klar definiert, wann ein Missbrauch vorliegt: wenn die Geltendmachung des Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände rechtsmissbräuchlich ist.
Die rechtliche Entwicklung: Kampf gegen die Abzocke
Der Gesetzgeber hat den Abmahnmissbrauch im E-Commerce schon länger im Visier. Bereits 2013 versuchte das sogenannte “Anti-Abzock-Gesetz” (Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken) erste Hürden für missbräuchliche Abmahnungen zu schaffen, indem es den Kreis der Abmahnberechtigten bei bestimmten Verstößen einschränkte.
Die entscheidenden Neuerungen brachte jedoch das “Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs”, das am 2. Dezember 2020 in Kraft trat. Es soll seriöse Abmahnungen erleichtern und unseriösen Praktiken einen Riegel vorschieben.
Wichtige Neuerungen seit Dezember 2020:
- Einschränkung bei Informationspflicht-Verstößen für Mitbewerber:
Bei erstmaligen Verstößen gegen bestimmte Informations- und Kennzeichnungspflichten (z.B. fehlerhaftes Impressum, unzureichende Datenschutzerklärung nach DSGVO oder Preisangabenverordnung) dürfen nur noch Mitbewerber abmahnen, die selbst Produkte oder Leistungen in “erheblichem Umfang” vertreiben. Für kleine Mitbewerber ist die Abmahnbefugnis hier eingeschränkt, während Verbände und qualifizierte Einrichtungen weiterhin uneingeschränkt abmahnen dürfen. - Kein Kostenersatz bei Bagatellverstößen:
Wird ein Online-Händler wegen eines erstmaligen Verstoßes gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten abgemahnt, entfällt der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten. Dies soll die Hemmschwelle für missbräuchliche Abmahnungen in diesem Bereich erhöhen und kleine Fehler weniger finanziell riskant machen. - Kostenrisiko für Abmahner bei Missbrauch:
Stellt sich heraus, dass eine Abmahnung tatsächlich missbräuchlich war, muss der Abmahner künftig die entstandenen Kosten tragen. Das schafft ein höheres Risiko für unseriöse Akteure. - Auskunftsanspruch des Abgemahnten:
Ein besonders wichtiges Instrument: Der Abgemahnte kann nun vom Abmahner Auskunft über dessen Geschäftstätigkeit verlangen. Dies hilft, zu prüfen, ob der Abmahner überhaupt ein tatsächliches Wettbewerbsinteresse hat oder ob es sich um eine vorgeschobene Abmahnung handelt.
Woran erkennt man eine missbräuchliche Abmahnung? Anzeichen nach § 8c Abs. 2 UWG
Das Gesetz nennt konkrete Kriterien, die auf einen Missbrauch hinweisen können:
- Überhöhte Anzahl von Abmahnungen: Der Abmahner versendet sehr viele Abmahnungen in kurzer Zeit.
- Diskrepanz zwischen Wettbewerbsinteresse und Abmahnungen: Das eigene Geschäftsfeld des Abmahners ist sehr klein oder kaum existent, aber er mahnt viele verschiedene Wettbewerber in unterschiedlichen Segmenten ab.
- Überzogene Streitwerte: Die geforderten Streitwerte sind unangemessen hoch im Vergleich zum tatsächlichen Verstoß.
- Verfolgung von Bagatellverstößen durch Nicht-Mitbewerber: Insbesondere bei Verstößen gegen Informationspflichten mahnen Akteure ab, die gar kein echtes Wettbewerbsverhältnis haben.
- Unangemessen hohe Vertragsstrafen: Die angedrohte Vertragsstrafe im Falle eines erneuten Verstoßes ist überzogen.
Was tun bei Verdacht auf Abmahnmissbrauch? Reaktionen und Rechte
Wenn Sie eine Abmahnung erhalten und den Verdacht haben, dass sie missbräuchlich ist, bewahren Sie zunächst Ruhe und handeln Sie besonnen:
- Nicht sofort zahlen oder unterschreiben: Unterschreiben Sie keine Unterlassungserklärung und leisten Sie keine Zahlung, bevor Sie die Abmahnung von einem Spezialisten prüfen lassen.
- Anwalt einschalten: Suchen Sie umgehend einen auf Wettbewerbsrecht und E-Commerce spezialisierten Rechtsanwalt auf. Dieser kann die Abmahnung prüfen und die besten Schritte einleiten.
- Einrede des Abmahnmissbrauchs: Ist die Abmahnung tatsächlich missbräuchlich, kann Ihr Anwalt die Einrede des Missbrauchs erheben. Dies ist eine Verteidigungsmöglichkeit, die die Abmahnung unwirksam macht.
- Negative Feststellungsklage: Sie können gerichtlich feststellen lassen, dass die Abmahnung unbegründet oder missbräuchlich ist und der Abmahner keinen Anspruch hat.
- Gegenabmahnung: In bestimmten Fällen, wenn der Abmahner selbst unlauter handelt (z.B. durch das massenhafte Versenden missbräuchlicher Abmahnungen), kann eine Gegenabmahnung sinnvoll sein.
- Auskunftsanspruch nutzen: Fordern Sie vom Abmahner Auskunft über seine Geschäftstätigkeit, um seinen tatsächlichen Wettbewerbsbezug zu überprüfen.
Prävention ist der beste Schutz für Ihren Online-Shop
Der beste Schutz vor allen Abmahnungen – ob legitim oder missbräuchlich – ist ein rechtlich einwandfreier Online-Shop. Achten Sie auf eine vollständige und korrekte Umsetzung aller rechtlichen Vorgaben:
- Impressum: Immer aktuell, vollständig und leicht auffindbar.
- Datenschutzerklärung (DSGVO): Transparent, umfassend und den aktuellen Vorgaben entsprechend.
- Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB): Fair, verständlich und rechtskonform.
- Widerrufsrecht: Korrekte Belehrung und Umsetzung.
- Preisangabenverordnung: Einhaltung der Grundpreispflicht, korrekte Ausweisung von Versandkosten und Gesamtpreisen.
- Lieferzeiten: Klare und realistische Angaben.
- Barrierefreiheit: Auch wenn noch nicht für alle Online-Shops verpflichtend, ist Barrierefreiheit ein zunehmend wichtiges Thema, das zukünftig auch rechtlich relevant werden könnte.
Regelmäßige Checks und eine professionelle Rechtsberatung helfen Ihnen, rechtliche Fallstricke zu vermeiden und Angriffsflächen für Abmahner – seriöse wie unseriöse – zu minimieren.
Fazit
Abmahnmissbrauch ist ein Ärgernis für viele Online-Händler im E-Commerce. Doch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hat die rechtlichen Möglichkeiten zur Verteidigung deutlich verbessert. Es ist entscheidend, eine Abmahnung nicht vorschnell zu beantworten, sondern sie immer von einem erfahrenen Anwalt prüfen zu lassen. Gleichzeitig bleibt Prävention der wichtigste Schritt: Ein rechtssicherer Online-Shop, der alle wichtigen Punkte von Impressum über Datenschutz bis Preisangaben korrekt umsetzt, bietet die beste Basis, um sich vor unberechtigten Forderungen zu schützen und sich auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können.
Abmahnungen können ein sinnvolles Instrument zur Konfliktlösung im E-Commerce sein – vorausgesetzt, sie dienen fairen rechtlichen Zwecken. Abmahnmissbrauch hingegen ist ein ernstzunehmendes Problem, das besonders kleine Händler trifft. Wachsamkeit und rechtliches Verständnis sind unerlässlich: Expertenrat und dokumentierte Schritte können Händler davor bewahren, in belastende Situationen zu geraten.

