Ein neuer Beschluss des OLG Zweibrücken vom 30.06.2022 – 1 OLG 2 Ss 62/21 sorgt für eine veränderte Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen. Beschlossen wurde, dass das Filmen von Polizeieinsätzen nicht immer erlaubt ist und je nach Umstand des Einzelfalls gem. § 201 StGB strafbar sein kann.
Das Filmen von Polizeieinsätzen
Die meisten Polizeieinsätze werden von Passanten gefilmt, die aus bloßer Schaulust Einsätze filmen, um in den meisten Fällen zu zeigen, dass sie sich selbst an dem Ort des Geschehens befunden haben. Aber Aufzeichnungen von Polizeiaufnahmen können auch hilfreich sein. Das zeigt zum Beispiel der viral gegangene Mord an George Floyd. In dem Fall wurde der Afroamerikaner George Floyd von einem weißen Polizisten getötet. Ohne etwaige Videoaufzeichnungen von Passanten hätte die Entscheidung womöglich einen anderen Verlauf genommen und der Polizist wäre ggf. straflos davon gekommen. In bestimmten Fällen sind also solche Handyaufzeichnungen notwendig, um den Missbrauch von Staatsgewalt verfolgen zu können.
Nach dem OLG Zweibrücken ist das Filmen von Polizeieinsätzen grundsätzlich strafbar. “Wer während einer Polizeikontrolle Audioaufnahmen mit dem Smartphone fertigt, auf denen die Personalienfeststellung anderer Personen zu hören ist, legt den Anfangsverdacht für eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB” (BeckRS 2021, 31702, beck-online). Das hat das Oberlandesgericht Zweibrücken entschieden und die Revision einer Frau gegen die Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verworfen. Die Sicherstellung des Smartphones der Frau sei somit rechtmäßig gewesen.
Strafbarkeit gem. § 201 StGB
Der Tatbestand des § 201 StGB schützt die Vertraulichkeit des Wortes und stellt somit die unbefugte Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes unter Strafe. Vor dem Beschluss wurde jedoch auf keine Strafbarkeit nach dem StGB für das Filmen von Polizeieinsätzen zurückgegriffen, sondern es kam ein Straftatbestand nach dem Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) gem. §§ 22, 33 KunstUrhG in Betracht. Demnach wird bestraft, wer ein Bildnis von jemandem ohne dessen Einwilligung verbreitet. Die Strafbarkeit betrifft also nicht die Aufnahme an sich, sondern lediglich das Verbreiten.
Kritik und Anwendungsbereich des § 201 StGB
Der Anwendungsbereich des § 201 StGB auf das Filmen von Polizeieinsätzen ist jedoch fragwürdig und umstritten. Der Tatbestand des § 201 StGB schützt die Vertraulichkeit des Wortes, das jedoch bei einem Polizeieinsatz nicht zwingend gegeben ist; es sei denn, es werden rein innerdienstliche Beratungen besprochen oder streng vertrauliche private Sachen unter den Beamten jeweils gesprochen. Fragwürdig nach dem LG Osnabrück ist zudem das Tatbestandsmerkmal des „Nicht-öffentlich“ gesprochenen Wortes, welches eine Strafbarkeit nach § 201 StGB voraussetzt. Äußerungen, die im Zusammenhang mit Diensthandlungen der Polizei stehen und an öffentlich zugänglichen Orten stattfinden, seien nach dem LG Osnabrück als faktisch öffentlich zu behandeln. “Faktisch öffentlich” bedeutet, dass mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden muss und Dritte in der Lage wären, ein Gespräch mitzuhören.
Nach dem Beschluss vom 30.06.2022 – 1 OLG 2 Ss 62/21 wird von dem OLG Zweibrücken der Öffentlichkeitsbegriff sehr eng ausgelegt. Der Beschluss zeigt dahingehend jedoch einen Widerspruch, der stark kritisiert wird: Der Beschluss nimmt zuerst eine nicht-öffentliche Gegebenheit an und sieht den Anwendungsbereich und somit den Anfangsverdacht des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB als gegeben: „Das OLG nimmt selbst an, dass die kontrollierte Gruppe, ein Zeuge und mehrere Einsatzkräfte das Gespräch hörten. Es kommt aber zu dem Ergebnis, dass es trotzdem vertraulich sei. Dies ist aber genau die ‚faktische Öffentlichkeit‘, die Gerichte bisher angenommen haben”, so der Rechtsanwalt der Beklagten, Jannik Rienhoff.
Es gilt abzuwarten, ob sich der Beschluss vom 30.06.2022 – 1 OLG 2 Ss 62/21 als ständige Rechtsprechung durchsetzen kann.
Beitrag vom 27.10.2022: Ist es erlaubt Polizeieinsätze zu filmen?
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