Beauty Claims oder Health Claims? BGH zieht strenge Grenzen für Kollagen-Werbung

Beauty- und Health-Claims-Konzept: Links Haut, Haare und ästhetische Darstellung, rechts DNA, Herz und Knochen für Gesundheit.

“Wahre Schönheit kommt von innen”
– dieser Slogan ist für die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) bares Geld wert. Besonders Kollagen-Produkte zum Trinken boomen im E-Commerce und in Apotheken. Doch wer seine Produkte mit Versprechen zu strafferer Haut oder besserer Elastizität bewirbt, begibt sich auf rechtliches Glatteis. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil vom 09.10.2025 (I ZR 135/24) ein Machtwort gesprochen und die Grenzen zwischen erlaubten “Beauty Claims” und streng regulierten “Health Claims” neu gezogen.

 

Für Online-Händler und Marketingverantwortliche ist dieses Urteil ein Weckruf: Wer physiologische Wirkungen beschreibt, ohne die Health-Claims-Verordnung (HCVO) zu beachten, riskiert teure Abmahnungen.

Der Fall: Kollagen, Elastizität und die Wissenschaft

Im Zentrum des Streits standen Werbeaussagen für Trinkampullen mit Kollagen-Peptiden. Der Hersteller bewarb sein Produkt unter anderem mit Aussagen zur Verbesserung der “Hautelastizität”, der “Hautdichte” und der Beeinflussung des “Kollagen-Stoffwechsels” in den tiefen Hautschichten. Ein Verbraucherschutzverein sah darin unzulässige gesundheitsbezogene Angaben und klagte auf Unterlassung.

Die Beklagte argumentierte, es handele sich lediglich um sogenannte “Beauty Claims” – also Aussagen, die sich rein auf das ästhetische Erscheinungsbild beziehen und daher nicht unter die strenge EU-Verordnung fallen.

Die Entscheidung: Wenn Schönheit zur Gesundheit wird

Der BGH folgte dieser Argumentation nur teilweise und fällte ein differenziertes Urteil, das für die Praxis extrem wichtig ist. Die Karlsruher Richter stellten klar: Sobald eine Werbeaussage vom Durchschnittsverbraucher (auch) als gesundheitsbezogen verstanden wird, greift die HCVO.

Dabei gelten folgende Grundsätze:

  1. Rein ästhetische Aussagen sind erlaubt: Vage Versprechen wie “Schlüssel zu schöner Haut von innen” oder “für ein strahlendes Aussehen” bleiben als reine Beauty Claims zulässig, solange sie keine physiologische Wirkung suggerieren.
  2. Funktionsbeschreibungen sind Health Claims: Sobald die Werbung erklärt, warum das Produkt wirkt (z.B. “erhöht die Hautelastizität”, “verbessert die Hautstruktur”, “beeinflusst den Kollagenstoffwechsel”), verlässt sie den Bereich der reinen Ästhetik. Solche Aussagen beschreiben eine Körperfunktion.
  3. Der “Doppel-Charakter”: Selbst wenn eine Aussage primär auf die Schönheit abzielt, wird sie zum Health Claim, wenn sie gleichzeitig eine Verbesserung der Körperfunktionen impliziert. Es gibt keinen “Schönheits-Bonus”, der vor der Anwendung der HCVO schützt.

Da für Kollagen derzeit keine zugelassenen Health Claims im EU-Register existieren, die eine Wirkung auf die Hautelastizität bestätigen, wurden die konkreten, physiologisch begründeten Aussagen verboten.

Warum das für Ihren Online-Shop wichtig ist

Die Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) ist im E-Commerce eine der häufigsten Abmahnfallen. Viele Händler wiegen sich in Sicherheit, weil sie “nur” Kosmetik-Effekte bewerben wollen. Das BGH-Urteil zeigt jedoch: Die Hürde ist niedrig.

Werbeprospekte und Produktbeschreibungen im Shop dürfen keine Zusammenhänge zwischen einer Substanz (hier Kollagen) und der Gesundheit (hier Hautfunktion/Struktur) herstellen, wenn diese nicht wissenschaftlich abgesichert und von der EU zugelassen sind.

Das Problem bei Kollagen: Zwar gibt es Studien, die positive Effekte nahelegen, doch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat bisher grünes Licht verweigert bzw. keine entsprechenden Claims in die Positivliste aufgenommen. Damit sind Aussagen zur “Stärkung des Bindegewebes” oder “Erhöhung der Elastizität” für Nahrungsergänzungsmittel tabu.

Praxistipps für rechtssicheres Marketing

Um Abmahnungen durch Verbände oder Mitbewerber zu vermeiden, sollten Sie Ihre Texte prüfen:

  • Vermeiden Sie “Wirk-Erklärungen”: Beschreiben Sie nicht, wie das Mittel im Körper arbeitet (Stoffwechsel, Zellstruktur, Elastizität).
  • Bleiben Sie an der Oberfläche: Aussagen zum “Erscheinungsbild” oder zur “Schönheit” sind sicherer als Aussagen zur “Funktion”.
  • Prüfen Sie das EU-Register: Bevor Sie einem Inhaltsstoff (Vitamin C, Zink, Kollagen) eine Wirkung zuschreiben, schauen Sie in das offizielle EU Register of Health Claims. Nur was dort als “authorized” gelistet ist, darf (unter Einhaltung der genauen Wortlaut-Vorgaben) verwendet werden.
    • Beispiel: Für Vitamin C ist die Aussage erlaubt: “Trägt zu einer normalen Kollagenbildung für eine normale Funktion der Haut bei”. Dies ist oft der einzige legale “Workaround” für Kollagen-Produkte, denen Vitamin C zugesetzt ist.

Fazit

Der BGH hat die Zügel für die Bewerbung von “Beauty-Food” angezogen. Der Versuch, physiologische Wirkversprechen als harmlose “Beauty Claims” zu tarnen, wird vor Gericht kaum noch Bestand haben. Für Shop-Betreiber gilt: Im Zweifel lieber weniger versprechen und sich strikt an die zugelassenen Formulierungen der EU halten. Wer die wissenschaftliche Wirkung seiner Produkte anpreisen will, muss sicherstellen, dass die Wissenschaft auch offiziell von der EU anerkannt wurde.

Tags :
Marketing & Werbung, Sonstiges, Urteile & Gesetze

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