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Ausschluss des Widerrufsrechts im Online-Shop bei Bestellung auf Kundenspezifikation – AG Siegburg – Urteil vom 25.09.2014 – Az.: 115 C 10/14

Ausschluss des Widerrufsrechts im Online-Shop bei Bestellung auf Kundenspezifikation – AG Siegburg – Urteil vom 25.09.2014 – Az.: 115 C 10/14 Ausschluss des Widerrufsrechts im Online-Shop bei Bestellung auf Kundenspezifikation – AG Siegburg – Urteil vom 25.09.2014 – Az.: 115 C 10/14
Autor: Rechtsanwalt Marcus Dury LL.M. (IT-Recht)

Veröffentlicht: 06.02.2015

Ausschluss Widerrufsrecht Online-ShopDas AG Siegburg hatte mit Urteil vom 25.09.2014 zum Theme Ausschluss des Widerrufsrechts bei Online-Bestellungen auf Kundenspezifikation einen Sachverhalt zu entscheiden, der sich noch nach altem Recht vor dem 13.06.2014 richtete (§ 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB a.F.). Eine weitgehend identische Regelung findet sich aber auch in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F., so dass das Urteil durchaus auf die neue Rechtslage übertragbar ist, wenn die nach neuer Rechtslage erforderlichen Informationspflichten über den Ausschluss des Widerrufsrechts eingehalten werden.

Die Entscheidung des AG Siegburg lässt sich wie folgt zusammenfassen:

1. Wenn es ein Online-Shop den Verbrauchern ermöglicht, die Ware mit über 100 Varianten pro Artikel zu konfigurieren, handelt es sich um Ware, die gem. Kundenspezifikation gem. § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB a.F. gefertigt wurde.

2. Damit ein Online-Shop-Betreiber das Widerrufsrecht gem. § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB a.F. wirksam ausschließen kann, ist es erforderlich, dass es für ihn wirtschaftlich unzumutbar ist, die Ware zurückzunehmen und der Kunde vor der Bestellung erkennen kann, dass der Verkäufer die Ware extra für ihn gem. der angegebenen Spezifikation anfertigen wird. AG Siegburg, Urteil vom 25.9.2014 – 115 C 10/14 (rechtskräftig)

Bildquelle: shop n media images – fotolia com

Sachverhalt

Die Beklagte vertreibt über einen Online-Shop verschiedenstes Mobiliar, das von Kunden auf die eigenen Bedürfnisse hin individualisiert werden kann. Die Fertigung des Mobiliars erfolgt dabei immer erst nach Vertragsschluss mit dem jeweiligen Kunden. Die Klägerin ist Verbraucherin und bestellte Anfang 2013 ein Schlafsofa über das Internet bei der Beklagten.

Sie wählte dabei aus verschiedenen Stoffen und Ausrichtungen der Armlehnen aus. Insgesamt standen über 100 Individualisierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Nach Auslieferung der Ware stellte die Klägerin fest, dass ihr das Schlafsofa nicht gefällt und sie sich vermessen hatte: Die Schlafcouch passte nicht durch den Türrahmen ihrer Wohnung.

Die Klägerin erklärte daraufhin den „Widerruf” ggü. der Beklagten Die Beklagte lehnte zwar ein Widerrufsrecht der Klägerin ab, erstattete ihr aber 2/3 des Kaufpreises gegen Rücknahme der Schlafcouch. Die Klägerin erhob Klage am AG Siegburg auf Rückzahlung des von der Beklagten einbehaltenen restlichen Kaufpreises.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass ihr ein Widerrufsrecht gem. § 312d Abs. 1 BGB a.F. zustünde, welches von der Beklagte zu Unrecht verkürzt worden wäre. Die Beklagte war hingegen der Meinung, dass es sich bei der Schlafcouch der Klägerin um Ware handelte, welche auf Kundenspezifikation hin angefertigt worden ist und für die ein Widerrufsrecht gem. § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB a.F. nicht besteht. Unstrittig zwischen den Parteien war, dass die Beklagte in ihrem Online-Shop neben dem streitgegenständlichen Schlafsofa den Hinweis „Artikel wird speziell angefertigt” gab. Das AG Siegburg erhob Beweis zum Beklagtenvortrag, dass eine Rücknahme der Schlafcouch für die Beklagte wirtschaftlich unzumutbar wäre – durch Vernehmung eines Mitarbeiters der Beklagten als Zeugen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet. Denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nicht zu.

Dieser könnte sich nur aus §§ 357, 355, 312d, 346 Abs. 1 BGB [jeweils a.F.] nach wirksamem Widerruf des Kaufvertrags ergeben. Der Widerruf setzt das Bestehen eines Widerrufsrechts gem. § 312d BGB voraus. Gem. § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB steht dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. Der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Kaufvertrag ist als Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312b BGB zu qualifizieren, da er ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zwischen der Klägerin als Verbraucherin und der Beklagten als Unternehmerin zu Stande gekomme ist. Das grds. im Rahmen dieser Verträge gem. § 312d Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht ist im vorliegenden Fall jedoch gem. § 312d Abs. 4 Ziff. 1 BGB ausgeschlossen. Hiernach besteht das Widerrufsrecht nicht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

1. Eine Anfertigung nach Kundenspezifikation liegt vor, wenn die Angaben des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Sache so individualisieren, dass diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme wirtschaftlich wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlassten besonderen Gestalt anderweitig nicht mehr oder allenfalls noch unter erhöhten Schwierigkeiten und mit erheblichem Preisnachlass absetzen kann (BGHNJW 2003, 1665, 1667 [= MMR 2003, 463] sowie Wendehorst, in: MüKoBGB, 6. Aufl. 2012, § 312d Rdnr. 21 m.w.Nw.). Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen: Die Klägerin hatte bei Bestellung der Ottomane die Auswahl unter 50 verschiedenen Stoffbezügen. Außerdem war ihr die Entscheidung überlassen, ob die Lehne links- oder rechtsseitig angebracht werde. Damit standen ihr 100 verschiedene Kompositionsmöglichkeiten zur Verfügung, nach denen sie die Ware auswählen und von der Beklagten herstellen lassen konnte. Angesichts dieser Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten ist die Ware nach Auswahl des Kunden und Herstellung so individualisiert und äußerlich gestaltet, dass die Voraussetzung einer Anfertigung der Ware nach „Kundenspezifikation” erfüllt ist.

2. Zwar ist der Ausschlusstatbestand i.S.d. Verbraucherschutzes und vor dem Hintergrund, dass es sich bei § 312d Abs. 4 Nr. 1 Alt. 1, 2 BGB um eine Ausnahmeregelung handelt, einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Rücknahme der Ware für den Unternehmer unzumutbar sein muss (BGH, a.a.O., Rdnr. 12 ff.; LG Düsseldorf, LG DüsseldorfU. v. 12.2.2014 – 23 S 111/13 [= MMR-Aktuell 2014, 360250 (Ls.)]). Jedoch ist auch diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt. a) Unzumutbarkeit im o.g. Sinne setzt zum einen voraus, dass die vom Kunden veranlasste Anfertigung der Ware nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann (BGH, a.a.O., Rdnr. 15; LG Düsseldorf, a.a.O.) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte die einmal nach Vorgaben des Kunden im Hinblick auf Bezugsstoff und Ausrichtung der Armlehne hergestellte Ottomane nicht wieder in ihre Einzelteile zerlegen kann, sodass eine Weiterveräußerung der Einzelteile oder eine Neuzusammensetzung der Ottomane nach Vorgaben eines anderen Kunden ohne weiteres möglich wäre. […]

b) Des Weiteren setzt eine Unzumutbarkeit der Rücknahme voraus, dass die Ware in diesem Fall für den Unternehmer wirtschaftlich wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlassten Gestalt anderweitig nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen absetzen kann (BGH, a.a.O., Rdnr. 16; LG Düsseldorf, a.a.O.). Auch diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte die einmal nach Vorgaben eines Kunden hergestellte Ware nur mit einem Preisnachlass von bis zu 40% weiter veräußern kann. Der Zeuge K hat hierzu überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass Kunden für ein bereits einmal ausgeliefertes Sofa generell den vollen Preis nicht zu zahlen bereit seien. […]

c) Der Ausschlusstatbestand des § 312d Abs. 4 Ziff. 1 BGB ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Anfertigung nach Kundenspezifikation bzw. der persönliche Zuschnitt für den Käufer nicht erkennbar gewesen wäre (Wendehorst, a.a.O., Rdnr. 24). Denn die Beklagte weist die Kunden bereits auf ihrer Internetseite darauf hin, dass die Artikel speziell gefertigt würden. d) Mangels Widerrufsrecht hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rückzahlung des Restkaufpreises. Aus demselben Grund besteht auch der geltend gemachte Zinsanspruch nicht.


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