Wenn der “Kauf auf Rechnung” zur Rechtsfalle wird: Lehren aus dem Bonprix-Fall
Der “Kauf auf Rechnung” ist für viele Online-Kunden eine der beliebtesten Zahlungsoptionen. Er bietet Komfort und Sicherheit, da die Ware erst nach Erhalt beglichen wird. Doch was passiert, wenn die Werbung für diese Zahlungsart nicht alle Bedingungen transparent kommuniziert? Der vermeintlich einfache Weg kann für Online-Händler schnell zur Stolperfalle werden, wie ein aktueller Fall aus der Rechtsprechung zeigt. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie wichtig es für Betreiber von E-Commerce-Plattformen ist, ihre Informationspflichten ernst zu nehmen, um Abmahnungen und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Die Verlockung des Zahlungsziels: Warum Kauf auf Rechnung so beliebt ist
Für Verbraucher ist der Kauf auf Rechnung ein Vertrauensbeweis und ein großer Vorteil. Sie können die bestellte Ware in Ruhe prüfen, anprobieren oder testen, bevor sie bezahlen. Das minimiert das Risiko eines Fehlkaufs erheblich und steigert die Kaufbereitschaft. Für Online-Händler ist es daher oft eine strategische Entscheidung, diese Zahlungsoption anzubieten, um Wettbewerbsvorteile zu sichern und die Konversionsrate zu erhöhen. Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medaille: das Risiko des Zahlungsausfalls.
Um sich vor unbezahlten Rechnungen zu schützen, führen die meisten Händler eine Bonitätsprüfung durch, bevor sie den Kauf auf Rechnung gewähren. Dies ist ein Standardprozedere und absolut legitim. Die Crux liegt jedoch in der Kommunikation dieser Bedingung. Wenn eine solche Einschränkung nicht klar und deutlich kommuniziert wird, kann dies rechtliche Konsequenzen haben.
Der Fall Bonprix: Ein Rechtsstreit um Transparenz
Im Fall, der Bonprix betraf, stand genau diese Frage im Mittelpunkt. Das Versandhaus warb mit dem Slogan “Bequemer Kauf auf Rechnung”, verschwieg jedoch, dass die Option nur bei entsprechender Kreditwürdigkeit zur Verfügung stand. Die Verbraucherzentrale Hamburg sah darin eine Verletzung von Informationspflichten und zog vor Gericht.
Die Klage der Verbraucherschützer scheiterte zunächst vor dem Landgericht (LG) Hamburg und auch vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg. Die Instanzgerichte argumentierten, dass der Kauf auf Rechnung dem Kunden keinen “geldwerten Vorteil” verschaffe und die Werbeaussage somit kein “Angebot zur Verkaufsförderung” im Sinne des Telemediengesetzes (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 TMG [Anmerkung: Inzwischen § 6 Abs. 1 Nr. 3 DDG]) sei. Folglich müssten auch keine besonderen Bedingungen wie die Bonitätsprüfung angegeben werden.
Der EuGH setzt neue Maßstäbe: Objektiver Vorteil des Zahlungsaufschubs
Auf die Revision der Verbraucherschützer legte der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vor. Die zentrale Frage: Handelt es sich bei der Werbung für eine Zahlungsmodalität wie den Kauf auf Rechnung um ein “Angebot zur Verkaufsförderung”?
Der EuGH stellte hierzu am 15. Mai 2025 in einem Urteil (C‑100/24) klar: Ja, das tut es – zumindest dann, wenn die Zahlungsmodalität dem Kunden einen “objektiven und sicheren Vorteil” verschafft, der seine Kaufentscheidung beeinflussen kann. Im Fall des Kaufs auf Rechnung sah der EuGH diesen Vorteil im gewährten Zahlungsaufschub, der dem Käufer einen Liquiditätsvorschuss bietet. Dies sei ein entscheidender Faktor, der Verbraucher zum Kauf anregen kann.
Die Luxemburger Richter folgerten daraus, dass Verbraucher über die spezifischen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer solchen Zahlungsmodalität informiert werden müssen, sobald sie die Verkaufs-Website besuchen. Sie müssen also auf Anhieb erkennen können, dass ihnen der Vertragsschluss verwehrt bleiben könnte, sollte ihre Bonität nicht ausreichen.
Das BGH-Urteil: Kein Irrtum, aber eine Informationspflichtverletzung
Nach der wegweisenden EuGH-Entscheidung hatte der BGH (Urteil vom 11.09.2025 – I ZR 14/23) das letzte Wort in diesem Rechtsstreit. Die obersten Richter befanden, dass der Slogan “Bequemer Kauf auf Rechnung” zwar keine Irreführung gemäß § 5 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) darstelle. Allerdings könne sich ein Unterlassungsanspruch aus einer Verletzung von Informationspflichten gemäß § 5a UWG ergeben. Ob dies im konkreten Fall zutreffe, muss nun das OLG Hamburg als Instanzgericht erneut prüfen.
Die Quintessenz: Auch wenn die Werbung an sich nicht irreführend ist, können fehlende oder unzureichende Informationen über die Bedingungen einer Zahlungsoption eine Informationspflichtverletzung darstellen, die abgemahnt werden kann.
Was Online-Händler daraus lernen können
Dieser Fall verdeutlicht die Notwendigkeit maximaler Transparenz im E-Commerce. Für Betreiber von Online-Shops ergeben sich daraus wichtige Handlungsempfehlungen:
- Klare Kommunikation: Wenn Sie den Kauf auf Rechnung anbieten, kommunizieren Sie klar und deutlich, dass eine Bonitätsprüfung vorausgesetzt wird und die Option bei negativer Prüfung nicht zur Verfügung steht.
- Sichtbare Hinweise: Platzieren Sie entsprechende Hinweise nicht erst im Kleingedruckten oder im letzten Schritt des Bestellprozesses. Sie sollten schon dort sichtbar sein, wo die Zahlungsoption beworben oder ausgewählt wird.
- Gesamtheitliche Informationspflichten: Neben den spezifischen Hinweisen zu Zahlungsmodalitäten sollten Online-Shops stets alle rechtlich vorgeschriebenen Informationen leicht zugänglich machen: ein vollständiges Impressum, transparente Datenschutzinformationen und rechtssichere AGB sind unerlässlich, um Abmahnungen zu vermeiden und das Vertrauen der Kunden zu stärken. Dies gilt umso mehr, als die Bonitätsprüfung in der Datenschutzerklärung als automatisierte Entscheidungsfindung anzugeben ist.
- Rechtliche Überprüfung: Lassen Sie Ihre Werbeaussagen und die Gestaltung Ihres Bestellprozesses regelmäßig von Rechtsexperten überprüfen. Die Rechtsprechung, insbesondere im Verbraucher- und E-Commerce-Recht, entwickelt sich stetig weiter.
Fazit
Der Bonprix-Fall ist ein eindringliches Beispiel dafür, wie wichtig Transparenz bei der Bewerbung von Zahlungsoptionen im Online-Handel ist. Auch wenn der Kauf auf Rechnung ein gern genutzter Service ist, müssen Online-Händler klar über die damit verbundenen Bedingungen informieren. Eine fehlende oder versteckte Bedingung kann als Informationspflichtverletzung gewertet werden und zu kostspieligen Abmahnungen führen. Im Sinne des Verbraucherschutzes und zur Vermeidung rechtlicher Risiken gilt: Weniger ist oft mehr, aber Klarheit ist immer entscheidend.

