Das Amtsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 28.4.2015 (Az.: 425 C 1013/15) rechtskräftig entschieden, dass zumindest in den Fällen, in denen der Kunde über die „Sofort-Kaufen”-Funktion eines Online-Shops eine aus verschiedenen Elementen bestehende Couch, die in 17 verschiedenen Farben und 578 verschiedenen Kombinationen geliefert werden kann, bei der Bestellung im Internet bei jedem Element angezeigt bekommt, wie viele Artikel verfügbar sind und die Bestellung sich auf die im Netz angebotene Farbkombination schwarz/weiß bezieht, keine individuelle Auswahl und Herstellung von Ware vorliegt.
Aus diesem Grund besteht in diesen Fällen ein Widerrufsrecht der Kunden / Verbrauchers, das nicht gem. § BGB § 312g Abs. BGB § 312G Absatz 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist.
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Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1680,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2014 Zug um Zug gegen Übergabe der Couch-Garnitur (Modell G8009D, Hauptfarbe Weiß, Nebenfarbe Schwarz, Liege linksbündig) zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Couch-Garnitur in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 139,23 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 20.2.2015 zu zahlen
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden/zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Sachverhalt
Die Beklagte vertreibt Möbel und Einrichtungsgegenstände über einen Online-Shop auf der Plattform eBay.
Er bot unter anderem eine Couch-Garnitur an, die mit dem Titel „Wohnlandschaft G8009D Leder Couch Schwarz Weiß Braun Büro Sofa Garnitur” überschrieben war und die Artikel-Nr. 191159534412 trug. Der im Online-Shop aufgeführte Preis lag bei 1699,00 €. Das Bild oben links auf der Angebotsseite der Beklagten, das sich unmittelbar neben einem „Sofort-Kaufen”-Button befand, zeigte eine Sofa-Garnitur in der Hauptfarbe Weiß und der Nebenfarbe Schwarz. Das abgebildete Sofa verfügte über eine rechtsbündige Liegefläche. Bei der Bestellung konnte in einem Feld eine bestimmte Stückzahl angegeben werden, wobei rechts neben dem Feld darauf hingewiesen wurde, es sei eine bestimmte Anzahl an Artikeln verfügbar (vgl. „5 verfügbar” in Anlage K1; „2 verfügbar” in Anlage K2 der Akte).
Unter dem Angebotsfeld befand sich ein Text, der mit dem Wort „Widerrufsbelehrung” überschrieben war. Darauf folgte eine Artikel- und Produktbeschreibung, die abermals das bereits zuvor abgebildete Sofa zeigte sowie ein baugleiches Sofa in der Hauptfarbe Schwarz und der Nebenfarbe Weiß. In einem gesonderten Bild waren die Maße der Sofa-Garnitur aufgeführt. In dem sich anschließenden Text hieß es unter anderem: „Exklusive Designer Garnitur Modell: G8009D […] Das Modell können Sie in verschiedenen Farben bestellen. Zudem können wir Sonderwünsche umsetzen. Wollen Sie die Wohnlandschaft spiegelverkehrt? Kein Problem! Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf”. Im Anschluss wurden 17 verschiedene Farbmöglichkeiten abgebildet, unter anderem Schwarz und Weiß, aber auch einige Creme-, Rot- und Brauntöne. Unter der Registerkarte „Lieferung” wurde ausgeführt: „Um Ihnen den bestmöglichen Preis anbieten zu können, produzieren wir die Ware auf Nachfrage. Die eingesparten Lagerkosten kommen somit dem Kunden zugute”.
Der Kläger rief am 10.07.2014 bei der Beklagten an und äußerte Interesse an der Couch-Garnitur. Nachdem ein Mitarbeiter der Beklagten einen Preisnachlass von 50 € gegenüber dem Online-Preis eingeräumt hatte, bestellte der Kläger eine Couch-Garnitur in der Hauptfarbe Weiß und der Nebenfarbe Schwarz. Am gleichen Tag erhielt der Kläger per Mail ein „Angebot” der Beklagten, wobei der Leistungsgegenstand wie folgt bezeichnet wurde: „G8009D Wohnlandschaft / Hauptfarbe weiß / Beifarbe schwarz”. Der Gesamtbetrag (brutto) sollte danach 1649,99 € betragen, der Versand war kostenlos. Am 11.07.2014 leistete der Kläger eine Anzahlung von 500 € über sein PayPal-Konto. Die Couch-Garnitur wurde am 01.10.2014 geliefert. Der Kläger zahlte den Restbetrag per Nachnahme, wobei vereinbarungsgemäß zusätzlich eine Nachnahmegebühr i.H.v. 30 € entstand. Die Liege der gelieferten Garnitur befand sich linksbündig.
Am 02.10.2014 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf des geschlossenen Vertrages. Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.10.2014 erklärte der Kläger abermals den Widerruf, der wiederum von der Beklagten mit Email vom 15.10.2015 zurückgewiesen wurde. In der vorgenannten Email äußerte die Beklagte, dem Kläger stehe kein Widerrufsrecht zu, und verwies auf ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Urt. v. 12.02.14, Az. 23 S 111/13), in welchem das Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits, der ebenfalls den Widerruf eines Kaufvertrages über ein erst nach Kundenbestellung hergestelltes Sofa betraf, von einem Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g II Nr. 1 BGB ausging. Mit Anwaltsschreiben vom 22.10.2014 rügte der Kläger einen Sachmangel und setzte eine Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 05.11.2014. Die Beklagte erklärte sich mit einem Umtausch der Couch-Garnitur einverstanden, wollte den Umtausch aber nicht am Wohnort des Klägers, sondern vielmehr in Dortmund vornehmen. Da der Kläger auf einen Transport der neuen Couch-Garnitur an seinen Wohnort und die Abholung des streitgegenständlichen Sofas von dort bestand, erfolgte der Umtausch nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.11.2014 erklärte der Kläger daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte zugleich zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe der Couch bis zum 03.12.2014 auf. Zur Rückabwicklung kam es nicht.
Der Kläger behauptet, er habe im Rahmen der telefonischen Bestellung am 10.07.2014 eine Couch-Garnitur mit rechtsbündiger Liege bestellt. Er ist der Meinung, ihm stehe ein Widerrufsrecht nach § 312g I BGB zu, das er wirksam ausgeübt habe. Die Beklagte habe ihn zu keinem Zeitpunkt über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts aufgeklärt. Zudem liege angesichts einer Abweichung des bestellten vom gelieferten Sofa in Ansehung der Anordnung der Liegefläche ein Mangel vor, der zunächst zu einem Nacherfüllungsanspruch und nach Ausbleiben der Nacherfüllung zum Rücktritt berechtigt habe.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1680,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2014 Zug um Zug gegen Übergabe der Ledercouch G8009D wie in Anlage K5 abgebildet zu zahlen,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet,
3. die Beklagte zu verurteilen, nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 139,23 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.2.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, ein Widerrufsrecht sei nach § 312g II Nr. 1 BGB insoweit ausgeschlossen, als die Couch im Sinne vorgenannter Norm individuell für den Kläger angefertigt worden sei. Rechte wegen eines Mangels schieden aus, weil der Kläger die Couch mit einer linksbündigen Liege bestellt habe, also gar kein Mangel vorliege.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages i.H.v. 1680,00 € Zug um Zug gegen Übergabe der gelieferten Ledercouch G8009D gegen die Beklagte zu. Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte gem. § 357 I BGB ein Rückzahlungsanspruch über 1680,00 € zu. Der Kläger hat wirksam seine auf den Abschluss eines Kaufvertrages über die gelieferte Couch-Garnitur gerichtete Willenserklärung widerrufen.
Dem Kläger steht vorliegend ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. Maßgeblich sind – da es zu einem Vertragsschluss am 10.07.2014 kam – gem. Art. 229 § 32 EGBGB die Vorschriften des BGB in seiner ab dem 13.06.2014 geltenden Fassung.
Der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossene Kaufvertrag ist als Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 III BGB, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat, sowie als Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312c I BGB zu qualifizieren. Nach § 312g I BGB steht dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu.
Ein Widerrufsrecht nach §§ 355, 312 g I BGB scheidet vorliegend auch nicht nach § 312g II Nr. 1 BGB aus. Die Voraussetzungen der Norm liegen hier nicht vor.
Nach § 312g II Nr. 1 BGB besteht das Widerrufsrecht nach § 312g I BGB nicht – soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben – bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
§ 312 g II BGB wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013, BGBl. I, S. 3642, neu gefasst. § 312g II Nr. 1 BGB nF ähnelt § 312d IV Nr. 1 BGB aF, mit der Abweichung, dass die letztgenannte Norm Waren betraf, die „nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind”. Der Veränderung des Wortlauts entspricht indes keine inhaltliche Änderung. § 312g II Nr. 1 BGB stellt eine unmittelbare Umsetzung von Art. 16 lit. c. der Verbraucherrechterichtlinie dar (Richtlinie #####/####/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 20112011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie #####/####/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304, S. 64; fortan: Verbraucherrechte-RL). Danach sieht die Richtlinie bei Fernabsatzverträgen kein Widerrufsrecht nach Art. 9 – 15 der Richtlinie vor, „wenn Waren geliefert werden, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind”. § 312d IV Nr. 1 BGB aF entsprach insoweit wortlautgleich Art. 16 lit. c. der Verbraucherrechte-RL.
In Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie wird der Ausdruck „nach Verbraucherspezifikation angefertigte Waren” legaldefiniert. Es handelt sich dabei um „Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Entscheidung durch den Verbraucher maßgeblich ist”. Eben diese Formulierung hat der deutsche Gesetzgeber in § 312g II Nr. 1 BGB aufgegriffen und auf diesem Wege die Art. 16 lit. c. 2 Nr. 4 der Richtlinie unmittelbar im Normtext umgesetzt. Daraus ergibt sich zum einen, dass § 312g II Nr. 1 BGB richtlinienkonform ist und zum anderen zugleich, dass die Rechtsprechung und das Schrifttum zu § 312d IV Nr. 1 BGB aF im Rahmen von § 312g II Nr. 1 BGB nF weiter herangezogen werden können.
Der Struktur nach erweisen sich Art. 16 der Verbraucherrechte-RL und § 312g II BGB – es handelt sich um eine Vollharmonisierung (siehe auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12637, S. 56; zum Begriff der Vollharmonisierung Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 54. Lfg. 2014, Art. 114 AEUV Rn. 38 ff.) – als Ausnahmeregelungen, die von dem Grundsatz des Bestehens eines Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen abweichen (vgl. BGHZ 154, 238, 243 f.). In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des BGH ist der Grundsatz anerkannt, dass Ausnahmebestimmungen eng auszulegen sind (zuletzt etwa EuGH, Urt. v. 05.03.2015, C-553/13, Rn. 39; siehe z.B. auch BGHZ 116, 305, 308 ff.). Den Ausnahmen vom Grundsatz der Widerrufbarkeit einer Willenserklärung, die ein Verbraucher in einem Fernabsatzgeschäft abgegeben hat, ist nach Ansicht des Gesetzgebers im Großen und Ganzen gemeinsam, dass sie Fälle der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit für den Unternehmer typisieren (BT-Drs. 14/2658, S. 44 in Bezug auf § 3 II FernAbsG; siehe auch BGHZ 154, 239, 243 = NJW 2003, 1665).
Vor diesem Hintergrund hat der BGH (NJW 2003, 1665) in einem Rechtsstreit, der ein nach einem Baukastensystem zusammengestelltes Notebook betraf, ausgeführt, dass eine Ausnahme von der Widerrufbarkeit der Willenserklärung des Verbrauchers nur dann in Betracht kommt, wenn der „Unternehmer durch die Rücknahme auf Bestellung angefertigter Ware erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet, die spezifisch damit zusammenhängen und dadurch entstehen, dass die Ware erst auf Bestellung des Kunden nach dessen besonderen Wünschen angefertigt wurde. Nicht ausreichend dafür sind dagegen die Nachteile, die mit der Rücknahme bereits produzierter Ware stets verbunden sind. Diese hat der Unternehmer nach dem Gesetz hinzunehmen. Nur wenn der Unternehmer darüber hinausgehende besondere Nachteile erleidet, die gerade durch die Anfertigung nach Kundenspezifikation bedingt sind, kann dem Unternehmer ein Widerrufsrecht des Verbrauchers und die damit verbundene Pflicht zur Rücknahme der Ware – ausnahmsweise – nicht zugemutet werden (BGHZ 154, 238, 244). Voraussetzung dafür ist nach Ansicht des BGH, dass „die Anfertigung der Ware nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden kann” und dass darüber hinaus „die Angaben des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Sache so individualisieren, dass diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme deshalb (wirtschaftlich) wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlassten besonderen Gestalt anderweitig nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen absetzen kann” (BGHZ 154, 238, 244 f.).
Diese Voraussetzungen liegen hier indes gerade nicht vor. Zwar kann wohl die Anfertigung der Couch-Garnitur nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden. Es fehlt aber an der zweitgenannten Voraussetzung, denn die streitgegenständliche Couch-Garnitur ist nicht derart durch die Wünsche des Klägers individualisiert, dass sie für die Beklagte im Falle ihrer Rücknahme (wirtschaftlich) wertlos ist, weil die Beklagte sie wegen der vom Kläger veranlassten besonderen Gestalt anderweitig nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen absetzen kann.
Dagegen kann zunächst nicht vorgebracht werden, das Modell G8009D werde erst nach Kundenbestellung angefertigt. Denn § 312g II Nr. 1 BGB greift nicht schon dann, wenn durch die Bestellung des Verbrauchers die Herstellung der Ware erst veranlasst wird. Ansonsten könnte ein Widerrufsrecht des Verbrauchers durch den Unternehmer alleine dadurch ausgeschlossen werden, dass dieser standardisierte Ware nicht auf Vorrat hält, sondern sie – namentlich (wie hier) aus betriebswirtschaftlichen Gründen – erst auf Bestellung produziert (siehe dazu auch BGHZ 154, 238, 243 f.).
Auch dass – betrachtet man die Angebotsseite der Beklagten – die Möglichkeit der Äußerung von „Sonderwünschen” genannt und im unmittelbaren Anschluss daran angeboten wird, die Couch-Garnitur könne ebenso „spiegelverkehrt” geliefert werden, macht ein Sofa mit einer linksbündigen Liegefläche nicht per se zu einem „Sonderwunsch” resp. zu einem nach Kundenspezifikation angefertigten Gegenstand (vgl. Wendehorst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 312d BGB aF Rn. 23).
Etwas anderes ergibt sich im konkreten Fall ebenfalls nicht aus dem Umstand, dass die 17 möglichen Farbvarianten insgesamt 289 verschiedene Farbkombinationen ermöglichen, bzw. dass der Kunde – ergänzt man dieses Auswahlpotenzial durch die jeweilige Möglichkeit, die Liege rechts- oder linksbündig anzuordnen – in toto 578 unterschiedliche Garnituren des Modells G8009D bestellen kann. Denn in Ansehung der Absatzmöglichkeiten eines durch die Beklagte zurückgenommenen Sofas kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass der Absatz mit erheblichen Schwierigkeiten und erforderlichen Preisnachlässen verbunden ist.
Ob dies für alle Kombinationen gilt bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Hier geht es um eine gängige Farbkombination. Hierin liegt nach Ansicht des Gerichts ein entscheidendes Absatzkriterium.
Insofern folgt das Gericht für solche Standardfarben nicht der Entscheidung des LG Düsseldorf (Urt. v. 12.02.2014, Az. 23 S 111/13), das insoweit nicht differenziert. Während noch nachvollziehbar ist, dass beispielsweise eine Kombination aus einem Rot- und einem Creme-Ton nur unter erschwerten Bedingungen absetzbar ist, gilt dies jedenfalls nicht in gleicher Weise für eine Kombination aus Schwarz und Weiß. Dafür spricht zum einen das sich neben dem „Sofort-Kaufen”-Button befindliche Bild auf der Angebotsseite der Beklagten, das in der Hauptfarbe Weiß und der Nebenfarbe Schwarz gehalten ist. Diese Farbkombination lässt sich sofort und ohne weitere Angaben des Kunden bestellen; zudem sind mehrere Couch-Garnituren in eben dieser Ausfertigung schon verfügbar, worüber die Angebotsseite der Beklagten jeweils aktuell Auskunft erteilt.
Darüber hinaus sind die Farben Schwarz und Weiß in dem Titel des Angebots enthalten („Wohnlandschaft G8009D Leder Couch Schwarz Weiß Braun Büro Sofa Garnitur”). Derartige Formulierungen der Anbieter verfolgen den Zweck, bei entsprechenden Suchanfragen der Nutzer der ebay-Plattform das Angebot als Treffer erscheinen zu lassen. Infolgedessen orientieren sich die Formulierungen an den Suchanfragen, die typischerweise erfolgen. Sind dabei die Farben Schwarz und Weiß aufgeführt, kommt darin zum Ausdruck, dass die Farben – zugleich in ihrer Kombination – oftmals gesucht und mithin auch regelmäßig nachgefragt sind, was im Hinblick auf die neutralen Farben Schwarz und Weiß unmittelbar einleuchtet und der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht. Aus all dem ergibt sich, dass zumindest eine Couch-Garnitur wie jene, die neben dem „Sofort-Kaufen”-Button abgebildet ist, mithin ein Sofa in der Hauptfarbe Weiß und der Nebenfarbe Schwarz mit rechtsbündiger Liege, ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Preisnachlässe am Markt absetzbar ist.
Dem Kläger wurde – jenseits der streitigen Frage, ob er das Sofa in dieser Ausführung tatsächlich bestellt hat – exakt die Couch-Garnitur in der Hauptfarbe Weiß und der Nebenfarbe Schwarz geliefert, die auf der Angebotsseite neben dem „Sofort-Kaufen”-Button abgebildet ist. Der einzige Unterschied zwischen dem abgebildeten (und nach den obigen Ausführungen ohne besondere Anstrengungen oder Einbußen absetzbaren) und dem gelieferten Sofa besteht demnach in der Ausrichtung der Liegefläche, die bei dem abgebildeten Sofa rechtsbündig, beim Kläger linksbündig angeordnet ist. Dass ein Sofa mit rechtsbündiger Liegefläche aber deutlich besser absetzbar wäre als ein Sofa mit linksbündiger Liegefläche, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, die dem Kläger gelieferte Couch-Garnitur sei nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen absetzbar.
Auf die Frage der Erkennbarkeit einer Anfertigung nach Kundenspezifikation für den Verbraucher, mit der sich das angeführte Urteil des LG Düsseldorf hauptsächlich beschäftigt (zu dieser Voraussetzung vgl. etwa Wendehorst, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 6. Auflage 2012, § 312d BGB aF Rn. 24) kommt es insoweit hier gar nicht an.
Der Umstand, dass das Geschäftsmodell der Beklagten auf die Vermeidung von Lagerkosten ausgelegt ist, und die Couch-Garnitur nach der Rückabwicklung zunächst wohl einzulagern ist, führt noch nicht zu wirtschaftlicher Unzumutbarkeit. Nachteile, die mit der Rücknahme bereits produzierter Ware stets verbunden sind, hat der Unternehmer nach dem Gesetz hinzunehmen (BGHZ 154, 238, 244).
Der Kläger hat sein gegenüber der Beklagten bestehendes Widerrufsrecht nach §§ 355, 312g I BGB auch wirksam ausgeübt. Er hat mit mehreren Schreiben gegenüber der Beklagten, die unstreitig zugingen, den Widerruf erklärt. Das erste Schreiben wurde am 02.10.2014, also am Tag nach der Lieferung, verfasst und am gleichen Tag bei der Post eingeliefert. Jenseits der Frage, ob die Widerrufsfrist nach § 355 II BGB in Gang gesetzt wurde, erfolgte der Widerruf damit in jedem Falle fristgerecht.
II.
Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug i.S.v. § 293 BGB. Voraussetzung des Annahmeverzugs ist, dass der Kläger – hier als Schuldner des das Sofa betreffenden Rückgewährschuldverhältnisses – in der angebotenen Weise leisten durfte. Dies setzt wiederum voraus, dass der Kläger ein Recht oder eine Pflicht dazu besaß, der Beklagten das Sofa zurück zu gewähren, und dass das Leistungsangebot am rechten Ort erfolgte, vgl. § 269 BGB. Der wirksame Widerruf des Klägers wandelte den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis um, vgl. § 357 I BGB, sodass der Kläger die Couch-Garnitur zurück zu gewähren hatte, aber auch unmittelbar nach dem Widerruf leisten durfte. Der Leistungsort der Rückgewähransprüche nach einem Widerruf ist der Ort, an dem sich die Sache vertragsgemäß befindet (Palandt/Grüneberg, 74. Aufl., § 269 BGB Rn. 16 m.w.N.), hier also der Wohnort des Klägers. An diesem Ort hat der Kläger das Sofa tatsächlich zur Abholung bereitgestellt, vgl. § 294 BGB. Die Beklagte hat die ihr angebotene Leistung am Wohnort des Klägers nicht angenommen.
III.
Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf § 286, 280, 288 BGB.
Der Kläger kann darüber hinaus von der Beklagten die Zahlung von 139,23 € außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gem. §§ 280 I, 241 BGB verlangen. Die Beklagte hat die Einschaltung der Prozessbevollmächtigten auch zu vertreten. Soweit der Geschäftsführer der Beklagten den Ausführungen des Urteils des LG Düsseldorf vertraute führt dies nicht zu einen entschuldbaren Rechtsirrtum. Allein eine einzige Entscheidung über eine strittige Rechtsfrage, zumal wenn es eine grundlegende BGH Entscheidung gibt, führt noch nicht zu einem entschuldbaren Rechtsirrtum. Es gibt immer verschiedene Auffassungen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums grundsätzlich strenge Maßstäbe anzulegen (BGH WuM 2012, 323; NJW 2012, 2282). Der Schuldner muss die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig prüfen. Entschuldigt ist ein Rechtsirrtum nur dann, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (BGH, NJW 2007, 428; NJW 1983, 2318; NJW 1974, 1903). Bei einer zweifelhaften Rechtsfrage handelt bereits fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss (BGH, NJW 2007, 428; NJW 1998, 2144. Der Schuldner darf nicht das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage auf den Gläubiger verlagern (BGH, NJW 2012, 2282; NJW 2007, 428).
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II Nr. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 2 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1.750,00 EUR festgesetzt.