Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln im Internet

Carnitin Rechtsprechung

Carnitin RechtsprechungAuch Nahrungsergänzungsmittel werden in Online-Shops vertrieben. Arzneimittel dürfen dagegen nur von Apotheken über das Internet verkauft werden.

Vielen Shopbetreibern ist aber unklar, ob beim Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln auch das Heilmittelwerberecht gilt und welche gesundheitsbezogenen Aussagen erlaubt sind. Welche rechtlichen Regelungen den Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln im Internet regeln, zeigen wir Ihnen anhand von zwei Beispielfällen.

Beispielsfall 1 - Carnitin II - BGH, 26.06.2008 - I ZR 61/05

Im Rechtsstreit ging es um ein nicht als Arzneimittel zugelassenes L-Carnitin Produkt mit einer vom Hersteller angegebenen Tagesdosis von 500 mg. Im Beipackzettel wurden dem Produkt Eigenschaften wie „den Fettstoffwechsel zu optimieren“ und „das Immunsystem zu stimulieren“ nachgesagt. Der Hersteller bezeichnete das Produkt als diätetisches Lebensmittel, vertrieb es aber - in Kapselform und verpackt in Faltschachteln mit Blisterstreifen - ausschließlich über Apotheken. Daraufhin wurde von dem Kläger auf Unterlassung verklagt.

Der Kläger war der Ansicht, dass das Carnitin-Produkt ein Arzneimittel sei. Der Beklagte handele deshalb wettbewerbswidrig, wenn er das Präparat in den Verkehr bringe und bewerbe, ohne dass es als Arzneimittel zugelassen sei. Der Kläger beantragte, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für das L-Carnitin Produkt mit einer Tagesdosis von 500 mg L-Carnitin pro Capsette zu werben und/oder dieses Mittel zu vertreiben, solange es nicht als Arzneimittel zugelassen ist.

Abgrenzung zwischen Arznei- und Lebensmittel bei Nahrungsergänzungsmitteln

Der BGH entschied unter dem Aktenzeichen I ZR 61/05, dass ein Erzeugnis, welches aus einem Stoff besteht, der auch bei normaler Ernährung als Abbauprodukt im menschlichen Körper entsteht, nicht als Arzneimittel anzusehen ist, wenn die unmittelbare Aufnahme dieses Stoffes zu keiner gegenüber den Wirkungen bei normaler Nahrungsaufnahme nennenswerten Einflussnahme auf den Stoffwechsel führt. Beruft sich ein Unternehmen auf das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels (= „alle Stoffe und Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verabreicht werden, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen“), so muss es die pharmakologische Wirkung dieses Produktes positiv beweisen. Gelingt dies nicht, und können diese fraglichen Produkte keine nennenswerten Wirkungen gegenüber den Wirkungen bei normaler Nahrungsaufnahme auf den Stoffwechsel erzielen, ist das Produkt nicht als Funktionsarzneimittel sondern als Lebensmittel (ggf. in Form eines Nahrungsergänzungsmittels) zu werten. Im Fall von L-Carnitin handelt es sich um einen Stoff, der in Lebensmitteln in deren natürlichem Zustand vorkommt und sich bei normaler Ernährung auch auf den Stoffwechsel auswirkt. Nach der BGH-Entscheidung handelt es sich folglich nicht um ein Arzneimittel. Das Produkt kann somit als „Lebensmittel“ und ohne arzneimittelrechtliche Zulassung vertrieben und beworben werden. Selbst im Falle einer gleichgewichtigen Verwendungsbestimmung als Lebensmittel bzw. als Arzneimittel wird das Produkt noch als Lebensmittel eingestuft.

Können die Aufmachung und Aussagen zum Produkt daran etwas ändern ?

Nahrungsergänzungsmittel wie L-Carnitin gelten nicht schon alleine des Anscheins wegen durch Werbung und Aufmachung als Arzneimittel. Die Darreichungsform (Capsetten) und die Verpackung (Blisterstreifen in einer Faltschachtel) sowie der Vertrieb über Apotheken ist kein ausreichender Hinweis, dass diese Produkte als Arzneimittel zu werten sind. Wird Lebensmitteln durch Werbung der Anschein eines Arzneimittels gegeben, so stellt § 11 Abs.1 Nr.4 LFGB ein Werbungs- und Verkehrsverbot für diese auf. Die Aufmachung und die Aussagen zu einem Produkt können also durchaus die Einstufung als Lebensmittel beeinflussen. Hier ist Zurückhaltung geboten.

Beispielsfall 2

Die Beklagte verkaufte Nahrungsergänzungsmittel über einen Online-Shop. Gegenstand der Klage war die anonyme Äußerung eines Shopbesuchers über eine Kommentarfunktion. Dieser hatte ein Produkt „G“  in hohem Maße gelobt und ihm medizinische Heilungswirkung zugewiesen. Der Shopbetreiber reagierte auf diese Äußerung nicht. Weder machte er sich diese Aussage zu Eigen, noch distanzierte er sich Ausreichend von diesen Äußerungen.

Rechtliche Bewertung

Der streitgegenständliche Kommentar ist als krankheitsbezogene Äußerung über ein Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) zu bewerten.  Nach § 12 LFGB ist krankheitsbezogene Werbung für Lebensmittel verboten. Dies gilt auch nach Inkrafttreten der „Health Claims-Verordnung“ (HCVO) auf europäischer Ebene. In Art. 14 HCVO wird unter anderem die Zulässigkeit von Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos geregelt - Werbeaussagen hierrüber sind grundsätzlich unzulässig. Ausnahmsweise kann eine nach dieser Vorschrift unzulässige Werbeaussage nach Maßgabe der dafür in der HCVO aufgestellten Voraussetzungen ausdrücklich zugelassen werden.

Verwendung gesundheitsbezogener Äußerungen Dritter für Werbezwecke durch den Werbenden

Ausschlaggebend für eine Verwendung von Drittäußerungen ist nicht, dass sich der Werbende die Drittaussagen zu Eigen macht. Es reicht schon aus, wenn dem Verbraucher, durch ein Zitieren, Widergeben oder Hinweisen auf die Drittaussage der Eindruck vermittelt wird, dass das Produkt die von dem Dritten angesprochene Wirkung entfalten könne. Begründet wird dies durch die Gefahr der Selbstmedikation, welche gerade durch § 12 LFGB verhindert werden soll. Entscheidend ist auch nicht, ob der Werbende bei der Verwendung der Drittaussagen geplant oder zielgerichtet vorgeht. Eine Wertung oder Einordnung der Äußerungen braucht der Werbende selbst dabei nicht vorzunehmen – er muss gegebenenfalls überhaupt nicht aktiv werden. Somit reicht es in einer Teleshopping-Sendung z.B. aus, wenn der Werbende es duldet, dass Anrufer Produkte durch ihre Aussagen anpreisen und somit bei Verbrauchern der Eindruck entsteht, dass diese Aussagen Teil der Werbe- und Produktinformation sind.

Verhalten des Werbenden gegenüber Drittaussagen

Im vorliegenden Fall  kommen auf den Website-Betreiber – durch das zur Verfügung stellen einer Kommentarfunktion - gewisse Verkehrssicherungspflichten zu. Bezüglich der Nahrungsergänzungsmittel obliegt es dem Website-Betreiber, etwaige krankheitsbezogene  Aussagen  in aktiver Weise entgegen zu treten. Es wird erwartet, dass dieser sich unmissverständlich, ernsthaft und ohne jeden verharmlosenden Zusatz von den problematischen Äußerungen distanziert. Allen voran muss er zum Ausdruck bringen, dass er sich mit der Distanzierung nicht nur einem formaljuristischen Verbot beugen will, sondern den Krankheitsbezug aus eigenem Wissen und Wollen in Abrede stellt.


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 Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln im Internet Natürlich werden auch Nahrungsergänzungsmittel im Internet vertrieben. Einige Shopbetreiber könnte es demnach interessieren, welche rechtlichen Aspekte bei dem Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln über Internet zu beachten sind. Diese möchten wir Ihnen anhand von zwei Beispielfällen näher bringen Beispielsfall 1 Im Rechtsstreit ging es um ein nicht als Arzneimittel zugelassenes L-Carnitin Produkt mit einer Tagesdosis von 500 mg. Im Beipackzettel wurden dem Produkt Eigenschaften wie „den Fettstoffwechsel zu optimieren“ und „das Immunsystem zu stimulieren“ nachgesagt. Der Hersteller/Beklagte bezeichnete das Produkt als diätetisches Lebensmittel, vertrieb es aber - in Kapselform und verpackt in Faltschachteln mit Blisterstreifen - ausschließlich über Apotheken. Der Kläger ist der Ansicht, dass das Produkt ein Arzneimittel sei. Der Beklagte handele deshalb wettbewerbswidrig, wenn er das Präparat in den Verkehr bringe und bewerbe, ohne dass es als Arzneimittel zugelassen sei. Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für das L-Carnitin Produkt mit einer Tagesdosis von 500 mg L-Carnitin pro Capsette zu werben und/oder dieses Mittel zu vertreiben, solange es nicht als Arzneimittel zugelassen ist. Abgrenzung zwischen Arznei- und Lebensmittel bei Nahrungsergänzungsmitteln Der BGH hat entschieden, dass ein Erzeugnis, welches aus einem Stoff besteht, der auch bei normaler Ernährung als Abbauprodukt im menschlichen Körper entsteht, nicht als Arzneimittel anzusehen ist, wenn die unmittelbare Aufnahme dieses Stoffes zu keiner gegenüber den Wirkungen bei normaler Nahrungsaufnahme nennenswerten Einflussnahme auf den Stoffwechsel führt. Beruft sich ein Unternehmen auf das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels (= „alle Stoffe und Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verabreicht werden, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen“), so muss es die pharmakologische Wirkung dieses Produktes positiv beweisen. Gelingt dies nicht, und können diese fraglichen Produkte keine nennenswerten Wirkungen gegenüber den Wirkungen bei normaler Nahrungsaufnahme auf den Stoffwechsel erzielen, ist das Produkt nicht als Funktionsarzneimittel sondern als Lebensmittel zu werten. Im Fall von L-Carnitin handelt es sich um einen Stoff, der in Lebensmitteln in deren natürlichem Zustand vorkommt und sich bei normaler Ernährung auch auf den Stoffwechsel auswirkt. Nach der BGH-Entscheidung handelt es sich folglich um ein Arzneimittel. Das Produkt kann somit als „Lebensmittel“ und ohne arzneimittelrechtliche Zulassung vertrieben und beworben werden. Selbst im Falle einer gleichgewichtigen Verwendungsbestimmung als Lebensmittel bzw. als Arzneimittel wird das Produkt noch als Lebensmittel eingestuft. Können die Aufmachung und Aussagen zum Produkt daran etwas ändern ? Nahrungsergänzungsmittel wie L-Carnitin gelten nicht schon alleine des Anscheins wegen durch Werbung und Aufmachung als Arzneimittel. Die Darreichungsform (Capsetten) und die Verpackung (Blisterstreifen in einer Faltschachtel) sowie der Vertrieb über Apotheken ist kein ausreichender Hinweis, dass diese Produkte als Arzneimittel zu werten sind. Wird Lebensmitteln durch Werbung der Anschein eines Arzneimittels gegeben, so stellt § 11 Abs.1 Nr.4 LFGB ein Werbungs- und Verkehrsverbot für diese auf. Versteckte Werbung für Nahrungsergänzungsmittel Beispielsfall 2 Die Beklagte verkaufte Nahrungsergänzungsmittel über einen Online-Shop. Gegenstand der Klage war die anonyme Äußerung eines Shopbesuchers über eine Kommentarfunktion. Dieser hatte ein Produkt „G“  in hohem Maße gelobt und ihm medizinische Heilungswirkung zugewiesen. Der Shopbetreiber reagierte auf diese Äußerung nicht. Weder machte er sich diese Aussage zu Eigen, noch distanzierte er sich Ausreichend von diesen Äußerungen. Rechtliche Bewertung Der streitgegenständliche Kommentar ist als krankheitsbezogene Äußerung über ein Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) zu bewerten.  Nach § 12 LFGB ist krankheitsbezogene Werbung für Lebensmittel verboten. Dies gilt auch nach Inkrafttreten der „Health Claims-Verordnung“ (HCVO) auf europäischer Ebene. In Art. 14 HCVO wird unter anderem die Zulässigkeit von Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos geregelt - Werbeaussagen hierrüber sind grundsätzlich auch unzulässig. Ausnahmsweise kann eine nach dieser Vorschrift unzulässige Werbeaussage nach Maßgabe der dafür in der HCVO aufgestellten Voraussetzungen ausdrücklich zugelassen werden (in den seltensten Fällen). Verwendung gesundheitsbezogener Äußerungen Dritter für Werbezwecke durch den Werbenden Ausschlaggebend für eine Verwendung von Drittäußerungen ist nicht, dass sich der Werbende die Drittaussagen zu Eigen macht. Es reicht schon aus, wenn dem Verbraucher, durch ein Zitieren, Widergeben oder Hinweisen auf die Drittaussage der Eindruck vermittelt wird, dass das Produkt die von dem Dritten angesprochene Wirkung entfalten könne. Begründet wird dies durch die Gefahr der Selbstmedikation, welche gerade durch § 12 LFGB verhindert werden soll. Entscheidend ist auch nicht, ob der Werbende bei der Verwendung der Drittaussagen geplant oder zielgerichtet vorgeht. Eine Wertung oder Einordnung der Äußerungen braucht der Werbende selbst dabei nicht vorzunehmen – er muss gegebenenfalls überhaupt nicht aktiv werden. Somit reicht es in einer Teleshopping-Sendung aus, wenn der Werbende es duldet, dass Anrufer Produkte durch ihre Aussagen anpreisen und somit bei Verbrauchern der Eindruck entsteht, dass diese Aussagen Teil der Werbe- und Produktinformation sind. Verhalten des Werbenden gegenüber Drittaussagen Im vorliegenden Fall  kommen auf den Website-Betreiber – durch das zur Verfügung stellen einer Kommentarfunktion - gewisse Verkehrssicherungspflichten zu. Bezüglich der Nahrungsergänzungsmittel obliegt es dem Website-Betreiber, etwaige krankheitsbezogene  Aussagen  in aktiver Weise entgegen zu treten. Es wird erwartet, dass dieser sich unmissverständlich, ernsthaft und ohne jeden verharmlosenden Zusatz von den problematischen Äußerungen distanziert. Allen voran muss er zum Ausdruck bringen, dass er sich mit der Distanzierung nicht nur einem formaljuristischen Verbot beugen will, sondern den Krankheitsbezug aus eigenem Wissen und Wollen in Abrede stellt.
Tags :
E-Commerce, Sonstiges, Urteile & Gesetze

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